Gelenkersatz – Erfolgsgeschichte der Medizin
Rund 400.000 künstliche Hüft- und Kniegelenke werden in Deutschland jährlich implantiert, informiert das Endoprothesenregister Deutschland. Rund zehn Prozent müssen aufgrund von Beschwerden oder Komplikationen wieder ausgewechselt werden. Bei einer Lebensdauer der Implantate von in der Regel rund 15 bis 20 Jahren stehen vor allem PatientInnen, die bei Erstoperation unter 60 Jahre alt sind, später Wechseloperationen bevor.
„Der künstliche Gelenkersatz ist eine wahre Erfolgsgeschichte der Medizin. Der Einsatz von Hüft- und Kniegelenk-Implantaten gehört zu den häufigsten und erfolgreichsten Operationen in Deutschland“, erklärt Prof. Veit Krenn, Pathologe und mitverantwortlicher Leiter des Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) für Histologie, Zytologie und Molekulare Diagnostik, Trier. „Aufgrund der steigenden Lebenserwartung, aber auch durch frühzeitige Abnutzung der Gelenke durch Übergewicht oder Fehlbelastung wächst die Anzahl von Gelenkerkrankungen und die Nachfrage nach künstlichen Gelenken kontinuierlich und in hohen Prozentraten. Durch die Ursachenklärung von Beschwerden oder Erkrankungen helfen wir PathologInnen bei der Entscheidung, ob im Einzelfall der künstliche Ersatz eines Gelenks oder der Austausch einer Prothese notwendig wird oder eine medikamentöse oder Chemo-Therapie sinnvoll ist.“
Breites Spektrum an Aufgaben
PathologInnen analysieren die durch eine Biopsie oder bei einer Operation entnommenen Gewebeproben unter anderem der Gelenkhaut, von Bändern, Sehnen oder Gelenkknorpel und Gelenkflüssigkeit. Ziel ist es zu klären, ob degenerative Erkrankungen, chronische Entzündungen oder Infektionen vorliegen. Zudem geht es darum, mit Hilfe der Histopathologie gut- oder bösartige Knochentumoren zu unterscheiden. Bei der Diagnostik von Knochenkarzinom-Metastasen, beispielsweise beim Mammakarzinom, kann die Gewebeuntersuchung Aussagen treffen, ob spezielle medikamentöse Therapien für die Rückbildung der Knochenkarzinommetastasen hilfreich sein können.
Eine besondere Herausforderung stellt die Diagnose von Verschleißerkrankungen und chronisch-entzündlichen Prozessen dar. „Im Gegensatz zu Tumoren oder tumorähnlichen Läsionen, die wir aufgrund ihrer typischen Gewebestrukturen eindeutig erkennen können, ist die Diagnose von Beschwerden durch Verschleiß und Entzündungen ausgesprochen schwierig“, betont Krenn. Der Experte vergleicht Tumoren bildhaft mit einer eindeutigen „pflanzlichen Mono-Kultur“ von Zellen, wogegen sich Entzündungen durch ein quasi undurchschaubares „urwaldartiges Dickicht“ unterschiedlichster Zellen auszeichnen, die teilweise nur in verschwindend geringerer Menge in den Proben erkennbar sind.
„Hier brauchen wir Methoden, mit deren Hilfe wir die entscheidenden Zellen vermehren können, so dass wir zuverlässige Aussagen treffen können. Und wir arbeiten aktuell an Bewertungssystemen für sicherere Diagnosen, indem wir beispielsweise typische Oberflächeneigenschaften von Zellen für einzelne Erkrankungen beschreiben. In dem Zusammenhang spielt die molekulare Diagnostik zur Aufdeckung von genetischen Veränderungen eine große Rolle“, so Professor Krenn.
Infektionen durch Bakterien
Gewebe um die Prothese kann sich durch Bakterien infizieren. Das führt in vielen Fällen zu einem Abbau des Knochens (Osteolyse) und einer Lockerung der Prothese. In diesen Fällen muss die Prothese gewechselt und der betroffene Bereich von der Infektion befreit werden. Auch Partikelabrieb durch Verschleiß oder Fehlbelastung führt zu Entzündungen und erfordert letztendlich den Austausch der Prothese. Vor allen Therapieentscheidungen der OrthopädInnen kommt die Pathologie ins Spiel, um anhand von Gewebeuntersuchungen oder molekularer Diagnostik die aktuelle Ausgangslage zu definieren.
Pathologische Befunde – Basis für adäquate Therapien und versicherungsrechtliche Ansprüche
Prof. Harald Hempfling, Unfallchirurg in Murnau, betont die Bedeutung der fächerübergreifenden Kooperation. „Die korrekte Diagnose mit dem Ziel der schonendsten und effektivsten Therapie für die einzelnen PatientInnen geht nicht ohne die synergistische Diagnostik in Zusammenarbeit mit den PathologInnen und anderen beteiligten Fachleuten. Um ihre Arbeit tun zu können, brauchen PathologInnen anfangs vor allem die richtigen Informationen. Geht der Kliniker von einer Krankheit, einer Verletzung, einem Schaden oder einem Gebrechen aus? Wie wurde die Gewebeprobe entnommen? Wesentlich ist auch die Frage, wann die Probe entnommen wurde. Wurde beispielsweise eine Gewebeprobe acht Wochen nach einem Unfall entnommen, ist eine Aussage über die Ursache einer Verletzung fast unmöglich. Die Diagnose der PathologInnen fließen nicht nur in die Therapieentscheidung der Kliniker ein, sondern haben auch wesentliche versicherungsrechtliche Konsequenzen, welcher Kostenträger zahlt oder auf welche Leistungen ein Patient Anspruch hat.“
Interdisziplinäre Informationen fließen in die Diagnose ein
Rund drei Prozent der PatientInnen reagieren allergisch auf die in Gelenkprothesen verarbeiteten Metalle. „Wir können die für eine Allergie typische Vermehrung von CD3-positiven Lymphozyten, einer Untergruppe der weißen Blutkörperchen, erkennen“, erläutert Krenn, „aber um die Gründe für schwerwiegende Funktionsstörungen bei Gelenkendoprothesen abzuklären, müssen letztendlich histopathologische, mikrobiologische, allergologische, bildgebende, biomechanische und klinische Befunde zusammenfließen.“
Aufgaben für die Zukunft
Zu tun gibt es noch einiges. Gefordert wird von Experten beispielsweise die Einrichtung eines verpflichtenden Endoprothesenregisters in Deutschland, welches in Ansätzen bereits existiert. Die Auswertung von Daten und Informationen zu Endoprothesen würden mehr Klarheit über Therapien und die Qualität verfügbarer Produkte bringen und nicht zuletzt dazu beitragen, Kosten einzusparen.
Die Zukunft verlangt zudem nach einer klaren Kommunikation und einem verbindlichen Glossar. „Eine eindeutige Definition von Begriffen wie beispielsweise ‚Degeneration‘ oder ‚Texturstörung‘ ist überfällig, da es ansonsten in der Praxis immer wieder zu Fehlinterpretationen und zu gutachterlichen Komplikationen kommt“, so Krenn.
Die Forschung arbeitet daran, Sensoren in künstlichen Gelenkprothesen zu integrieren. Diese sollen in einem Frühstadium signalisieren, wenn eine bakterielle Infektion eintritt, ein pathologischer Partikelabrieb erfolgt, Entzündungen entstehen, sich Prothesen lockern oder das Gewebe allergisch auf Metalle reagiert. Auf diese Weise möchte man zukünftig frühzeitig effektive Therapien einleiten und den Wechsel von Prothesen möglichst vermeiden.
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